Hals-Nasen-Ohrenklinik
Das Karlsruher Konzept
Seit Sommer 2013 werden im Städtischen Klinikum Karlsruhe Cochlea Implantate operiert. Ziel ist es, Patienten eine heimatnahe Versorgung anzubieten. Heimatnah soll dabei bedeuten, daß die Operation vor der Haustür stattfindet. Heimatnah soll auch bedeuten, daß die Patienten einen Ansprechpartner haben, der ohne lange Anfahrtswege und Terminvereinbarungen kontaktiert werden kann.
Das CI-Programm wurde von Prof. Dr. Werner Heppt und Dr. Jürgen Neuburger ins Leben gerufen. Prof. Dr. Heppt und Dr. Neuburger haben beide an der Medizinischen Hochschule Hannover in der dortigen HNO-Klinik eng zusammengearbeitet. Beide konnten dort umfassende Erfahrungen bei der Implantation von CI`s sammeln. Dr. Neuburger führte alleine in seinen letzten fünf Jahren an der Medizinischen Hochschule rund 300 Implantationen durch.
FAQ´s rund um das Cochlea Implantat
Cochlea Implantate sind Implantate, mit denen hochgradig Schwerhörige und taube Menschen wieder ein Hörvermögen erlangen können, das zu guter lautsprachlicher Kommunikation befähigt.
Cochlea-Implantate werden am häufigsten bei Neugeborenen, älteren Personen und akut Ertaubten gleich welchen Alters eingesetzt. Von 1000 Neugeborenen werden ein bis zwei taub geboren. Verschiedene Studien zu älteren Personen weisen darauf hin, dass ca. 1 Prozent der über 65 Jährigen hochgradig schwerhörig sind. Cochlea-Implantate helfen diesen Personengruppen, das Hörvermögen wieder zu erlangen.
Grundsätzlich möglichst bald. Taub geborene Kinder sollten mit Abschluss des 1. Lebensjahrs ihr Implantat haben. Das bedeutet, dass die notwendigen Voruntersuchungen mit dem 6. Lebensmonat abgeschlossen sein sollten.
Die Voruntersuchungen bei Kindern werden in einer einzigen 2- bis 3-stündigen Vollnarkose vorgenommen. In dieser Vollnarkose werden sowohl die Hörprüfungen (mittels Messung der Hirnströme), als auch die bildgebenden Untersuchungen (Computertomographie und Kernspintomographie des Hörorganes) durchgeführt.
Wichtige Fachabteilungen wie Neurootologie, HNO-OP und Radiologie müssen für die Voruntersuchungen nahe zusammenliegen, damit das narkotisierte Kind alle Fachabteilungen auf kurzem Wege erreichen kann.
Bei Kindern, die vor dem Erlernen des Sprechens ertauben, inzwischen aber älter als 8 Jahre sind, wird eine CI-Operation nur in Ausnahmefällen empfohlen.
Bei Erwachsenen soll die Implantation möglichst früh ab dem Zeitpunkt erfolgen, ab dem ohne Lippenlesen keine lautsprachliche Kommunikation mehr möglich ist.
Eine absolut zeitnahe Versorgung sollte bei akuten Ertaubungen, z.B. durch Hörsturz, erfolgen. Langsam ertaubte Patienten brauchen in der Regel länger für ihre Entscheidung.
Hat bei Erwachsenen die Ertaubung deutlich vor dem 8. Lebensjahr stattgefunden, wird eine CI-Operation nur in Ausnahmefällen empfohlen.
Einzelne Schritte des Karlsruher CI-Konzepts
- Kontaktaufnahme mit der Hals-Nasen-Ohrenklinik am Städtischen Klinikum Karlsruhe
- Übermittelung von bestehenden Untersuchungsergebnissen
- Informationsgespräch und Untersuchungen (Hörprüfung, CT, MRT)
- Planung des Operationszeitpunkts
- Operation und Klinikaufenthalt (ca. 5 Tage)
- Erstanpassung nach 4 Wochen
- Nach erfolgter Erstanpassung: Optional intensive CI-Rehabilitation in Bad Nauheim
- jährliche Kontrolle am Städtischen Klinikum Karlsruhe
Kommt ein Cochlea-Implantat für einen Patienten in Frage, kann er sich direkt in der Hals-Nasen-Ohrenklinik nach Terminvereinbarung vorstellen. Bereits bestehende Untersuchungsergebnisse können vorab an die Klinik weitergeleitet werden. Der Patient wird dann zu einem Informationsgespräch einbestellt. Bei diesem Termin erfolgen auch die audiologischen Untersuchungen sowie die Bilddiagnostik.
Wenn die Untersuchungsergebnisse eine Operation nahelegen und der Patient eine Operation wünscht, klärt das Klinikum mit der zuständigen Krankenkasse die Kostenübernahme. Ist die Kostenübernahme geklärt, erfolgt die Planung des Operationstemins.
Nach erfolgter Operation schließt sich ein 5-tägiger stationärer Aufenthalt an. Nach Entlassung lässt man das Implantat für 4 Wochen einheilen. Die Hautfäden werden bereits am 10. Tag entfernt.
Nach Ablauf dieser 4 Wochen wird dann der Sprachprozessor programmiert und aufgesetzt – ab diesem Zeitpunkt hört der Patient wieder. Das Hören wird nicht schlagartig wieder normal, sondern der Höreindruck wird zunächst unter Umständen sehr hochfrequent klingen, womöglich auch etwas „dünn“. Der Grund dafür: Das Hörzentrum im Gehirn hat bei den meisten Patienten schon lange Zeit viele Töne nicht mehr gehört. Es ist dann nicht möglich, bereits bei der ersten Anpassung die volle Lautstärke einzustellen bzw. dem Hörnerv bei der ersten Anpassung die volle Energie zuzumuten. Vielmehr muss dies langsam geschehen. Der Patient wird in den ersten Wochen mehrmals zu solchen ambulanten Einstellungsterminen gebeten, bei denen das Implantat nur gerade so „laut“ gestellt wird, wie es noch angenehm ist. Die Zeit, bis die „volle Lautstärke“ erreicht ist, ist individuell verschieden. Sie hängt vor allem davon ab, wie lange der Patient auf welchen Frequenzen schon schlecht gehört hat. Nach 4-8 Wochen ist normalerweise eine „vernünftige Hörschwelle“ über alle Frequenzen erreicht – oft auch schon deutlich früher.
Wir bieten unseren Patienten nach dieser „Erstanpassung“, die von einem intensiven logopädisch geführten Hörtraining begleitet wird, eine spezielle Cochlea-Implantat-Rehabilitation an der Kaiserbergklinik Bad Nauheim an. Diese beinhaltet ein ca. 3-4-wöchiges intensives Hörtraining. Wir unterstützen unsere Patienten bei der Antragsstellung bei der Krankenkasse.
Bezüglich der zu erwartenden Hörergebnisse gibt es eine große Studie (*), in der 1.355 erwachsene Patienten (13-95 Jahre alt) untersucht wurden. Am Ende der CI-Rehabilitation hatten diese ein durchschnittliches Verstehen einsilbiger Wörter von 66,5 %, ein 71,9 %iges Satzverstehen und ein durchschnittliches Wortverstehen von 68,5 Wörtern pro Minute – alles ohne Lippenlesen gemessen. Man darf dies allgemein verständlich so zusammenfassen, dass ein durchschnittlicher CI-Patient in ruhiger Umgebung entweder kein Lippenlesen mehr benötigt, oder dies nur noch in geringerem Umfang. Der größere Teil der CI-Patienten ist mit dem Implantat wieder in der Lage, das Telefon zu benutzen. In den ersten 6 Monaten sind die größten Steigerungen zu erwarten.
Bezüglich Musikhören sind die Voraussagen schwieriger. Es gibt CI-Patienten, die mit ihrem CI gerne Musik hören und auch selbst Musizieren, aber auch solche, die Musikhören mit CI als nicht schön empfinden.
Cochlea-Implantate sind reguläre Kassenleistungen; es entstehen dem Patienten keine Kosten. Auch die Kosten der Batterien für den Sprachprozessor werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Einmal jährlich werden alle CI-Patienten im weiteren Verlauf zu einer routinemäßigen Nachuntersuchung einbestellt, bei der auch das Implantat getestet wird. Unabhängig davon sind wir jederzeit Ansprechpartner bei allen Fragen oder Problemen.
Die Operation wird in Vollnarkose durchgeführt und dauert etwa 2 Stunden.
Das Cochlea-Implantat ist ein elektronisches Hör-Implantat, das unter der Haut und zum Teil im Knochen hinter dem Ohr versenkt wird. Vom Implantat geht eine Elektrode ab, die in die Hörschnecke eingebracht wird. Die Hörschnecke sitzt in der Tiefe des Schädels im Ohrknochen, dem sogenannten „Felsenbein“.
Die Operation beginnt damit, dass hinter dem Ohr ein Hautschnitt gelegt wird. Dann wird der wabige Knochen hinter dem Ohr abgetragen. Man arbeitet sich parallel zum Gehörgang in die Tiefe vor und gelangt hinter dem Trommelfell zur Hörschnecke. Gehörgang und Trommelfell werden dabei nicht beschädigt, so dass z.B. Wasser im Ohr später kein Problem darstellt. Durch Einsatz moderner OP-Mikroskope bleibt der Operationszugang klein.
Im Mittelohr verlaufen der Gesichtsnerv und eine Geschmacksfaser. Beide werden unter Mikroskopkontrolle dargestellt und geschont. Hat man die Hörschnecke freigelegt, wird sie an ihrer basalen Windung eröffnet und die vorbereitete Elektrode eingeschoben. Das eigentliche Implantat wird hinter dem Ohr am Schädelknochen platziert. Es wächst dort später fest.
Wie jeder Eingriff, so hat auch eine Cochlea-Implant-Operation gewisse Risiken. Neben den allgemeinen OP-Risiken wie Blutung, Entzündung, Wundheilungsstörung u.a. sind dies:
- Das noch vorhandene Restgehör geht bei einer Cochlea Implantat-Operation mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder sofort oder mittelfristig verloren. Hören ist also nur noch über das Cochlea Implantat möglich.
- Bei Patienten mit größeren Hörresten gibt es besondere Cochlea-Implantate, die kürzere Elektroden besitzen und eine Schonung des Restgehörs erlauben.
- Es könnte Tinnitus auf dem operierten Ohr auftreten. Das ist zwar selten, aber möglich.
- Es könnte zu Schwindelbeschwerden kommen. Diese sind in der Regel aber nur vorübergehend.
- Es könnte trotz aller Vorsicht zu Verletzungen des Gesichtsnervs kommen, die mit Gesichtslähmungen einhergehen könnten - was im eigenen Kollektiv freilich noch nicht beobachtet wurde.
- Es könnte zu Verletzungen der Geschmacksfasern kommen, die mit Geschmacksveränderungen einhergehen könnten. Dies ist selten und in der Regel nur vorübergehend.
- Das Implantat könnte irgendwann einmal kaputt gehen oder in sehr seltenen Fällen abgestoßen werden. In beiden Fällen müsste das Implantat operativ ausgetauscht werden. Dies stellt in der Regel kein Problem dar.
- Es könnte durch den Schnitt hinter dem Ohr zu einer geringfügigen Änderung der Ohrmuschelstellung kommen.
- Im Allgemeinen entsprechen die Risiken denen einer Mittelohr-Operation.
Videoclips zu den Themen
- Funktionsweise des Gehörs
- Funktionsweise eines Cochlea-Implantats
Bitte vereinbaren Sie Ihre Termine über die Allgemeine HNO Ambulanz.
Das Bildmaterial für diese Seite wurde freundlicherweise von Cochlear Deutschland GmbH & Co. KG zur Verfügung gestellt.
Literaturangabe: (*) Zeh R., Baumann U.: Stationäre Rehabilitationsmaßnahmen bei erwachsenen CI-Trägern. Ergebnisse in Abhängigkeit von der Dauer der Taubheit, Nutzungsdauer und Alter. HNO 2015, Volume 63, Issue 8, pp 557-576