Das Bild zeigt die Gedenktafel für Franz Lust.

Wer war Franz Lust?

Unsere Klinik für Kinder- und Jugendmedizin ist nach Professor Dr. Franz Lust benannt.

Franz Lust war einer der Pioniere der modernen Kinderheilkunde und erster Direktor der Kinderklinik in Karlsruhe. Aus einer jüdischen Familie stammend, wurde er während der NS-Terrorherrschaft entrechtet und in den Tod getrieben.

In Gedenken an den bedeutenden Mediziner und das Unrecht, das ihm angetan wurde, trägt die Franz-Lust-Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Karlsruhe seinen Namen.

Pionier der modernen Kindermedizin

Franz Lust wurde am 28. Juli 1880 in Frankfurt am Main geboren. Nach dem Abitur im Jahr 1898 studierte er Medizin in München, Berlin und Heidelberg. Danach arbeitete er zunächst als Assistenzarzt am Städtischen Klinikum in Wiesbaden, ehe er im Jahr 1907 an die Universitätsklinik Heidelberg wechselte. 1919 wurde er dort zum außerordentlichen Professor ernannt.

Franz Lust war ab 1918 Geschäftsführer des Badischen Landesverbandes für Säuglings- und Kleinkinderfürsorge und begann im Jahr 1920 als Klinikdirektor mit dem Aufbau eines Kinderkrankenhauses in Karlsruhe. Durch sein Engagement gelang es, eine moderne Kinderklinik zu entwickeln.

Ebenfalls im Jahr 1920 gab Lust zum ersten Mal das Lehrbuch „Diagnostik und Therapie der Kinderkrankheiten“ heraus, das sich zu einem äußerst bekannten Standardwerk entwickelte. Es erschien zuletzt 1995 unter dem Titel „Pädiatrische Diagnostik und Therapie“ in der 28. überarbeiteten Auflage.

Durch seine große medizinische Kompetenz und den menschlichen Umgang mit seinen kleinen Patienten genoss Franz Lust hohes Ansehen in der Karlsruher Bevölkerung. Er ist uns bis heute ein Vorbild.

Verfolgung durch den NS-Terrorstaat

Am 7. April 1933 erließen die Nationalsozialisten das sogenannte „Reichsgesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ mit dem Ziel, Juden aus dem Staatsdienst zu entfernen. Daraufhin wurde Franz Lust von der Leitung der Kinderklinik suspendiert. Es ist nicht überliefert, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kinderklinik mit ihm solidarisiert oder gegen dieses Unrecht protestiert haben.

Zunächst praktizierte er als Privatarzt weiter und behandelte in seiner Karlsruher Wohnung kranke Kinder. Mit der „Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ erwirkten die Nationalsozilisten das Erlöschen der Approbationen aller vom Regime als „jüdisch“ definierten Ärzte zum 30. September 1938. Damit durfte auch Franz Lust seinen Beruf nicht mehr ausüben. Durch die Zerstörung der beruflichen Existenz musste das Ehepaar Lust sein Haus verkaufen.

Die Familie Lust zog daraufhin nach Baden-Baden in die leerstehende Wohnung eines befreundeten Ehepaares, das bereits aus Deutschland geflohen war. Auch das Ehepaar Lust bemühte sich von da an um eine Ausreise aus Deutschland. Nach der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 wurde Franz Lust in Baden-Baden verhaftet und im KZ Dachau inhaftiert. Nach etwa einem Monat kam er wieder frei.

Schwer traumatisiert beendete er am 23. Mai 1939 sein Leben. Einen Tag danach soll der Brief mit der Einreiseerlaubnis in die Schweiz zur weiteren Emigration in die USA eingetroffen sein.

Seine Frau Lilly floh nach New York, wo sie bis 1990 lebte. Ihre letzten beiden Lebensjahre bis zu ihrem Tod im Alter von 103 Jahren verbrachte sie wieder in Karlsruhe. Ihre beiden Kinder Walter und Hilde waren schon 1933 aus Deutschland geflohen.

Andenken

Im Jahr 1950 wurde die damalige Kinderklinik am Durlacher Tor nach Franz-Lust benannt. Seit 2003 befindet sich die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin auf dem Campus des Städtischen Klinikums Karlsruhe – ihren Namen aber hat sie behalten. Neben der Kinderklinik ist auch die östlich am Klinikcampus vorbeiführende Straße nach Franz Lust benannt. Am Standort der ehemaligen Kinderklinik erinnert ein Stolperstein an das Schicksal des Mediziners.

Mit Unterstützung der Karlsruher Rotay Clubs wurde im Jahr 2019 eine Gedenktafel in Haus S des Klinikums Karlsruhe, der Heimat der Kinder- und Jugendmedizin, angebracht.

Literatur

Josef Werner: Hakenkreuz und Judenstern: Das Schicksal der Karlsruher Juden im Dritten Reich. Hrsg.: Heinz Schmitt (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs. Band 9). Badenia Verlag, Karlsruhe 1988, ISBN 3-7617-0263-9

Frank Schindera (Hrsg.): Vom Großherzoglichen Viktoria-Pensionat zur Franz-Lust-Kinderklinik. 75 Jahre Kinder- und Kinderchirurgische Klinik Karlsruhe 1920-1995. Info-Verlag, Karlsruhe 1995, ISBN 3-88190-199-X.

Ernst Otto Bräunche, Volker Steck (Hrsg.): Vom Spital zum Klinikum: Städtische Gesundheitsversorgung in Karlsruhe (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs. Band 29). Info Verlag, Karlsruhe 2007, ISBN 978-3-88190-479-7

Bilder

Abb. 1: Stadtarchiv Karlsruhe 11/DigA 8/9 (Quelle: Städtische Kinderklinik)

Abb. 2: Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oIV 487

Abb. 3: Foto: Markus Kümmerle, Städtisches Klinikum Karlsruhe