Fast 35 Jahre seiner medizinischen Laufbahn widmete Professor Joachim Kühr der Kinder- und Jugendmedizin und noch immer fesselt ihn das facetten- und umfangreiche Fachgebiet. „Die Arbeit macht mir wie am ersten Tag große Freude, und ich könnte eigentlich noch weitermachen“, schwärmt der scheidende Klinikchef. Für sein neues Amt als Klinikchef wechselte er 2003 aus dem Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin in Freiburg nach Karlsruhe. Stück für Stück entwickelte er die Pädiatrie am Klinikum Karlsruhe weiter. Dabei traf er bei seinem Amtsantritt optimale Voraussetzungen an. „Ich erinnere mich gerne an meinen ersten Arbeitstag am 3. Juli 2003, als der minutiös geplante und beeindruckende Umzug der Kinderklinik vom Durlacher Tor vollzogen war, und alle glücklich und zuversichtlich mit der Arbeit beginnen konnten.“ Seiner Einschätzung zufolge war der Neubezug von Haus S mit einem komplett neu formierten Zentrum für Kinder und Frauen historisch und bot alle Möglichkeiten zur Ausübung einer hochmodernen Pädiatrie.
In ihrer Rede anlässlich der Verabschiedung blickte Bürgermeisterin und Aufsichtsratsvorsitzenden Bettina Lisbach auf Kührs Amtszeit mit den Worten zurück: „In den über 19 Jahren Ihrer Tätigkeit am Klinikum haben Sie den Zentrumsgedanken in Haus S mit viel Leben gefüllt und ein engagiertes Team aufgebaut und dabei viele Menschen gefördert. Das Thema Weiterbildung war Ihnen in all den Jahren ein besonderes Anliegen. Sie konnten zahlreiche Weiterbildungen, beispielweise in den Bereichen Neonatologie, Intensivmedizin, Neuropädiatrie, Kinderpneumologie, Kinderonkologie, Kinderkardiologie und viele weitere, am Klinikum etablieren.“ Auch hob sie hervor, dass der scheidende Klinikchef in den fast zwei Jahrzehnten seiner Amtszeit viele Fortschritte und Entwicklungen der Kinderklinik und des Zentrums für Kinder und Frauen miterleben, aktiv gestalten und in den klinischen Alltag integrieren konnte.
In dem Zusammenhang würdigte Geschäftsführer Professor Michael Geißler die Etablierung der Kindernotaufnahme (KINA), die Gründung des Sozialpädiatrischen Zentrums, die enge Zusammenarbeit mit der Geburtshilfe im Bereich der Perinatologie und den Aufbau eines Kinder-Palliativ-Teams. Geißler zufolge war besonders die Etablierung einer gemeinsamen Kindernotaufnahme, wo Kinderchirurg*innen und Pädiater*innen bei der Versorgung von Notfällen vom Säuglings- bis zum Jugendalter eng zusammenarbeiten, für eine Region wie Karlsruhe von zentraler Bedeutung. Seit ihrem Bestehen wurden dort bereits über 400.000 Notfälle behandelt. Auch die Gründung des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) zur Versorgung von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen mit Entwicklungsauffälligkeiten, kinderneurologischen und anderen chronischen Erkrankungen hob Geißler als einen weiteren wichtigen Fortschritt hervor. „Das SPZ ist heute eine hochspezialisierte Ambulanz mit ärztlichem und therapeutischem Fachpersonal, das Betroffene auf Überweisung der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen behandelt.“ Darüber hinaus bedankte sich Geißler bei Kühr für die gute Zusammenarbeit zwischen der Geburtshilfe und der Neonatologie im Bereich der Perinatologie. „Mit Blick auf rund 2.700 Geburten pro Jahr, von denen 600 auch kinderärztlich betreut werden müssen, ist im Zentrum dank des guten Miteinanders die Integrität der Mutter-Kind-Beziehung selbst in schwierigen Behandlungsphasen gewährleistet.“
Rückblickend freut sich der scheidende Klinikchef, dass es 2019 im Rahmen eines Kooperationsprojekts des Klinikums Karlsruhe mit dem Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Freiburg gelungen ist, ein Kinderpalliativteam am Klinikum zu etablieren. „Hier ist für mich wirklich ein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen.“
Ein weiteres, großes Anliegen war ihm die enge Zusammenarbeit mit den Eltern der kleinen Patienten. Hier hebt der Pädiater besonders die gemeinsame Eltern-Kind-Unterbringung, die es Eltern ermöglicht, während des stationären Aufenthalts ihres Kindes im selben Zimmer zu wohnen und somit immer in ihrer Nähe zu sein, hervor.
Ein kleiner Wermutstropfen seiner Amtszeit war, dass der 100. Geburtstag der Franz-Lust-Klinik 2020 aufgrund der Corona-Pandemie nicht gebührend mit den Mitarbeitenden und der Bevölkerung gefeiert werden konnte.
Über 100.000 Patienten konnten in seiner Amtszeit stationär behandelt werden. Besonders stolz ist Kühr darauf, einem Team von 55 hochmotivierten ärztlichen Mitarbeiter*innen, 200 Pflegenden sowie zahlreichen Mitarbeiter*Innen diverser anderer Berufsgruppen angehört zu haben. Kühr ist zuversichtlich, dass aufgrund der großen Unterstützung von Seiten der Stadt Karlsruhe und der Geschäftsführung des Klinikums die medizinische Versorgung der Kinder und Jugendlichen auch in der Zukunft gesichert sein wird. Der entscheidende innere Baustein für den Erfolg der Klinik stellt für Kühr die enge Verzahnung von ärztlicher und pflegerischer Zusammenarbeit sowie die gemeinsame Identifikation mit ihren Berufen dar. „Es muss zum Wohl unserer Patientinnen und Patienten unvermindert nach Synergismen mit den Kinderarztpraxen und mit den interdisziplinären Partnern im Klinikum gesucht werden“, so Kühr abschließend.