Galten E-Zigaretten zunächst als eine weniger schädliche Alternative für Tabakraucher, häufen sich inzwischen auch negative Schlagzeilen: Potentielle Gefahr von Lungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, giftige Inhaltsstoffe, zugemischte Substanzen in Liquids, Einstiegsdroge für Jugendliche. Vielen Theorien fehlt aber derzeit noch eine fundierte wissenschaftliche Grundlage.
Bei einer hochkarätig besetzen Veranstaltung im Palais Solms haben Medizinerinnen und Mediziner sowie Suchtexperten über Nutzen und potentielle Risiken der E-Zigarette diskutiert. Auf Initiative von Prof. Martin Storck, Direktor der Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie am Städtischen Klinikum Karlsruhe, und unter Schirmherrschaft der Aufsichtsratsvorsitzenden und Bürgermeisterin Bettina Lisbach standen Fragen rund um das Thema Rauchentwöhnung im Mittelpunkt; etwa, welche Rolle E-Zigaretten und Tabakerhitzer spielen können und welche Auswirkungen sie auf die Gesundheit haben. „Vielleicht kann die Veranstaltung den Grundstein legen für mehr Präventionsangebote in Karlsruhe und am Städtischen Klinikum“, resümierte Bürgermeisterin Lisbach. „Ich hoffe, dass diesem ersten Karlsruher Präventionsgespräch noch weitere folgen werden.“ Uwe Spetzger, medizinischer Geschäftsführer am Städtischen Klinikum und ehemaliger Raucher, umriss in seinem Grußwort die Ausgangslage der Betroffenen: „Wir bewegen uns hier immer zwischen Vernunft und Sucht“.
Dr. Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg nahm in ihrem Vortrag die beiden Verfahren Tabakerhitzen und Verdampfen als Alternativen zur sehr giftigen Tabakverbrennung unter die Lupe. Diese enthalten zwar deutlich weniger gefährliche Substanzen als Tabakzigaretten, sind aber bezüglich der Langzeitwirkungen auf die Gesundheit noch nicht ausreichend gut untersucht. Insgesamt besteht jedoch eine rund 90-prozentige Risikoreduktion in Bezug auf Toxizität und Krebs. Es fehlt an politischer Regulierung, z.B. durch eine Steuererhöhung oder eine Verkaufsregulationen für E-Zigaretten und Liquids. Mons wies darauf hin, dass Deutschland im europäischen Vergleich einen der letzten Plätze im Kampf gegen das Rauchen belegt und dass strukturierte Bemühungen in Deutschland bisher fehlen.
Dr. Elke Pieper vom Bundesamt für Risikobewertung bestätigte, dass elektrische Ersatzprodukte bei bestimmungsgemäßem Gebrauch deutlich weniger schädlich sind als die klassischen Verfahren mit Tabakverbrennung. Sie wies aber darauf hin, dass immer mehr Menschen synthetische Drogen durch die E-Zigarette konsumieren und viele gefährliche Liquids zugemischt Vitamin E (Tocopherol) und Cannabis enthalten. Dies hatte in den USA zu Erkrankungen mit Todesfällen geführt.
„Die steigende Nutzung von E-Zigaretten und die sich anbahnenden gesundheitlichen Folgen sowohl für das Herz-Kreislaufsystem als auch für Lungenerkrankungen sind ein topaktuelles Thema, für das wir Ärztinnen und Ärzte neue Lösungsansätze finden müssen", betonte Klinikdirektor Storck, der einige Mythen rund um Erhitzer und Verdampfer durch aktuelle Studien zu Lungen- und Gefäßerkrankungen richtigstellte. Teure Medikamente könnten die negativen Auswirkungen des Rauchens nicht ausgleichen. „Rauchentwöhnung ist und bleibt das erklärte Ziel, ist aber ein schwieriger Weg“.
Aus Sicht von Daniela Jamin vom Institut für Suchtforschung an der University of Applied Science in Frankfurt besteht bis heute kein sicherer Nachweis, dass die E-Zigarette als Einstiegdroge für Jugendliche verwendet wird (sogenannte Gateway-Theorie). Vielmehr haben Studien auch in Deutschland gezeigt, dass nur 15 Prozent der jugendlichen Raucher mit der E-Zigarette begonnen haben. Insgesamt ist die Zahl der jugendlichen Raucher rückläufig. Der Dual Use (Verwendung von Zigaretten kombiniert mit E-Zigaretten) ist laut Storck besonders gefährlich und sollte keineswegs empfohlen werden. Eine ausführliche mehrmalige Beratung der Menschen, die mit dem Rauchen aufhören wollen, sei erforderlich, werde aber nicht vergütet und deshalb nur selten konsequent durchgeführt.
Nach einer Podiumsdiskussion, an der sich neben den Referentinnen und Referenten auch der Geschäftsführer der AOK Mittlerer Oberrhein und weitere Klinikdirektoren der Kardiologie und Kinder- und Jugendpsychiatrie beteiligten, tauschten sich Fachleute sowie Besucherinnen und Besucher in entspannter Runde aus.