Nachhaltig pflegen im Krankenhaus – ein innovatives Projekt
Die Bundesregierung betont in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie die Notwendigkeit eines guten Zugangs zu Gesundheitsversorgung für alle und die Sicherung der Versorgungsqualität im Gesundheits- und Pflegebereich. Dies soll für gegenwärtige, aber auch für zukünftige Generationen gewährleistet sein. Um das Gesundheitssystem zukunftsfähig zu gestalten, müssen widerstandsfähige, innovative und anpassungsfähige Strukturen in Gesundheitseinrichtungen geschaffen werden. Die Pflege als größte Berufsgruppe in Krankenhäusern kann durch die generalistische Ausbildung und akademische Qualifizierung eine treibende Kraft für diese nachhaltige Entwicklung sein.
Zusammen entwickeln und erproben das Klinikum Karlsruhe, die PH Freiburg und das Deutsche Krankenhaus Institut im ESF-geförderten Projekt "Nachhaltig pflegen im Krankenhaus" ein Innovationsmodell für Nachhaltigkeit der Pflege im Krankenhaus.
Drei Ebenen
Es sind drei zentrale Handlungsebenen zur Unterstützung der Nachhaltigkeitsstrategie angelegt, die bisher erst in wenigen Krankenhäusern systematisch umgesetzt wurden:
- Soziale Nachhaltigkeit: Pflegefachkräfte sollen als Fürsprecher für Patientinnen, Patienten und deren Angehörige agieren und diese bei der Bewältigung von gesundheitlichen Einschränkungen im Alltag unterstützen. Ziel ist es, die physischen und psychischen individuellen Fähigkeiten zu erhalten, wiederherzustellen, zu fördern, aktivieren und stabilisieren
- Ökonomische Nachhaltigkeit: Durch Beratung und Anleitung von Patientinnen, Patienten und ihren Bezugspersonen in Prävention und Förderung ihrer Gesundheitskompetenz, sollen Folgekosten von Krankheiten vermieden werden. Außerdem soll dem Fachkräftemangel durch Kompetenzentwicklung der Pflege entgegengetreten werden
- Ökologische Nachhaltigkeit: Pflegefachkräfte sollen bei der Bewältigung von Herausforderungen durch den Klimawandel (z.B. vermehrte Hitzeperioden, Pandemien) und der Ressourcenschonung (Mülltrennung und- Vermeidung, Wiederverwertung, Materialverbrauch senken, etc.) im Krankenhausbetrieb beraten, unterstützen und umsetzen
Diese Ansätze müssen in den pflegerischen Alltag integriert werden. Pflegefachkräfte sollen befähigt und sensibilisiert werden, diese Aufgaben umzusetzen.
Unsere Ziele
Nachhaltig pflegen im Krankenhaus verfolgt dabei zwei Ziele:
- Durch die geplante Übertragung von mehr Kompetenzen auch im heilkundlichen Bereich, kann die Berufsgruppe der Pflege zur Verbesserung der Versorgungsqualität beitragen
- Sicherung von Fachkräften durch Personalgewinnung und -bindung
Um dies zu ermöglichen, sind Lern- und Experimentierräume erforderlich, in denen nachhaltige Strukturen und Prozesse im Krankenhaus entwickelt werden können. Das Klinikum Karlsruhe bietet mit seinem Modell, akademische Pflegefachkräfte in die Entwicklung von Versorgungskonzepten einzubinden, einen Rahmen zur innovativen Modellentwicklung für eine nachhaltige Pflege im Krankenhaus.
Mehr Informationen finden Sie auf der Seite der Pädagogischen Hochschule Freiburg.
Unsere Partner
NapiK im Detail
Ziel des Projekts ist es, dass das Klinikum Karlsruhe gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule (PH) Freiburg und dem Deutschen Krankenhausinstitut (DKI) Tools und Best-Practice-Beispiele erarbeitet, um die nachhaltige Entwicklung in Krankenhäusern zu fördern. Die entwickelten Tools werden auch auf der Website der PH Freiburg veröffentlicht.
Ableitend entwickelt das DKI zusammen mit der PH und dem Klinikum Karlsruhe ein Transferkonzept, das von anderen Krankenhäusern sowohl regional als auch überregional angewendet werden kann.
- Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgung durch Erweiterung der persönlichen Kompetenzen, z.B. durch gezielte Fortbildungen
- Nachhaltigkeit und Professionalisierung werden miteinander verbunden und damit der Grundstein für die Zukunft gelegt
- Zuordnung der Aufgaben in der pflegerischen Versorgung entsprechend der Kompetenzstufen, mit Fokus auf der Förderung der Akademisierung in der Pflege
- Optimierung von Kompetenzen der berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit
- Nutzung digitaler Lernformate ausbauen und weiterentwickeln
- Effizienzsteigerung von Prozessen durch Prüfung, Neubewertung und Anpassung
- Steigerung der Personalbindung und -gewinnung in der Pflege durch z.B. höhere Zufriedenheit der Mitarbeitenden
- Verbesserung der qualitativen Patientenversorgung
- Förderung und Erweiterung der Gesundheitskompetenz der Patientinnen und Patienten
- Sensibilität im pflegerischen Alltag im Hinblick auf Ressourcenschonung und Klimaveränderungen schaffen
Das Klinikum Karlsruhe ist deutschlandweit das einzige beteiligte Krankenhaus am Projekt „Nachhaltig pflegen im Krankenhaus“ (NapiK). Die Laufzeit beträgt drei Jahre. Gestartet ist es im Juni 2024, aktuell sind wir in der Abstimmungs- und Finalisierungsphase in Bezug auf die Definierung der Einzelprojekte. Wir haben zehn Projektlotsinnen und -lotsen in verschiedenen Bereichen des Klinikums Karlsruhe ausgewählt, die bei der Umsetzung des Gesamtprojektes eine Expertenrolle übernehmen werden.
Starten werden wir im Januar 2025 mit Workshops zur Qualifizierung der Projektlotsinnen und -lotsen, die sie befähigt, im Februar und März eine Bedarfsanalyse in ihren Teams durchzuführen und die Projekte und Prozesse zu moderieren und zu begleiten.
Ende Mai 2027 soll das Projekt NapiK abgeschlossen sein.
Gefördert wird NapiK im Rahmen des Programms „Arbeit im Wandel“ durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Europäische Union über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF plus).
Das Gesamtprojekt „Nachhaltig pflegen im Krankenhaus“ besteht aus mehreren Einzelprojekten. Jedes wird im Klinikum durch Projektlotsinnen und -lotsen sowie das Projektteam begleitet. Sie werden in Bereichen der Chirurgie, Inneren Medizin, Pädiatrie und Psychiatrie durchgeführt.
Folgende Einzelprojekte werden am Klinikum bearbeitet:
- Prozessoptimierung im Patientenaufnahmemanagement
Im Rahmen dieses Teilprojekts wird der Aufnahmeprozess von prästationären Patientinnen und Patienten auf der Kinderchirurgischen Station S11/12 erfasst, analysiert und neu strukturiert.
- Entwicklung und Etablierung eines pflegerischen Behandlungskonzepts für dementiell erkrankte Patientinnen und Patienten
Zusammen mit der Infektionsstation D10 wird ein Behandlungskonzept erarbeitet, welches unter anderem den Umgang mit Hin- und Weglauftendenzen und die Organisation der Tagesstruktur von dementiell erkrankten Patientinnen und Patienten beinhalten wird.
- Einführung des Safewards Modell
Auf der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Station P19B und der Intensivstation der Inneren Medizin M0E wird – angepasst an die spezifischen Bedarfe – je ein Konzept zur Förderung der Sicherheit des Personals und der Patientinnen und Patienten sowie ein Konzept mit dem Ziel der Reduktion von Konflikten und Zwangsmaßnahmen eingeführt.
- Einbindung von Angehörigen in den Behandlungsprozess
In der interdisziplinären zentralen Notaufnahme (ZNA) wird die Integration von Angehörigen in den Behandlungsprozess erprobt und ein Konzept erstellt.
- Aufbau einer Innovationsstation
Die urologische Station M3D wird als Innovationsstation neue Systeme und Elemente testen, die den Alltag von Pflegefachkräften erleichtern sollen, bevor diese im Falle der Eignung im Klinikum Karlsruhe eingesetzt werden. Als erste Teststellung ist ein marktreifes sensorbasiertes System (QUMEA) geplant, das Bewegungen der Patientinnen und Patienten erkennt, die zuständige Pflegefachkraft alarmiert und so beispielsweise Stürze oder ein Weglaufen der Patientinnen und Patienten verhindern kann. NapiK wird den Aufbau der Station unterstützen und begleiten.
- Zentrales Mobilisations- und Bewegungskonzept
Auf der chirurgischen Intermediate Care (IMC) Station M0B wird ein pflegerisches Bewegungs- und Mobilisationskonzept für die postoperative Behandlung von Patientinnen und Patienten erarbeitet, das unter anderem Aspekte zum Thema ergonomisches Arbeiten für Pflegefachkräfte enthalten wird.
- Professionalität in der Pflege
Im Rahmen von NapiK wird auf der chirurgischen Wahlleistungsstation M4C das Thema Kommunikation sowohl interprofessionell als auch mit Patientinnen, Patienten und Angehörigen untersucht, um Kommunikationsprobleme zu identifizieren und die Kommunikation langfristig zu verbessern.
- Etablierung pflegerischer Pränatal-Gespräche
Ein Teilbereich des bereits etablierten Karlsruher Neokonzepts ist das Pränatal-Gespräch, das die Pflegefachkräfte der Kinderintensivstation S26 durchgeführen. Es dient dazu, werdende Eltern auf die Folgen einer Frühgeburt vorzubereiten und einen Einblick zu geben, was auf sie nach der Geburt zukommen wird. Innerhalb von NapiK sollen Pränatal-Gespräche ausgeweitet und das Schnittstellenmanagement der peripheren Stationen und der pflegerischen Pränatal-Beraterinnen und -berater der S26 verbessert werden.
- Einführung von Besuchsdiensten durch Freiwillige in der Geriatrie
Die Geriatrische Station D30 wird Besuchsdienste durch Freiwillige Personen der Bevölkerung einführen, die den Patientinnen und Patienten der D30 – zusätzlich zu den grünen Damen und Herren – Gesellschaft leisten, sie emotional unterstützen und fördern werden. Der Alltag der Patientinnen und Patienten kann so strukturiert und die Pflegefachkräfte entlastet werden.
- Zuerst findet eine Analyse des Qualifizierungs- und Kompetenzentwicklungsbedarfs der definierten Bereiche des Klinikum Karlsruhe statt, woraufhin eine Arbeitsprozessanalyse mit anschließender Auswertung folgen wird
- Im Anschluss wird ein Rahmenkonzept zur Kompetenzentwicklung erarbeitet, an welchem die PH Freiburg und das Deutsche Krankenhausinstitut beteiligt sind und das Klinikum Karlsruhe partizipativ mitwirken wird. Außerdem werden betriebliche Experimentierräume (geschützte Umgebung, in denen neue Methoden getestet werden) konzipiert und aufgebaut, Blended Learning Module (Kombination aus Präsenz- und digitalem Lernen) entwickelt erprobt und reflektiert
- Abschließend werden die Ergebnisse aufbereitet und ein innovatives Modell zur betrieblichen Kompetenzentwicklung zur Nachhaltigkeit der Pflege im Krankenhaus abgeleitet. Dieses soll Analysetools, Experimentierräume und Blended Learning Module beinhalten
- Schließlich wird eine Transfer- und Implementierungsstrategie entwickelt, um die Projektergebnisse auf andere Kliniken zu übertragen. Im Klinikum Karlsruhe können die Erkenntnisse für andere Bereiche genutzt und angewendet werden, um neue Projekte zur Weiterentwicklung der Pflegequalität umzusetzen
Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner
Viktoria Neller
Projektmitarbeiterin
B.A. angewandte Gesundheitswissenschaften
Aljoscha Bassermann
Projektmitarbeiter
B.A. Management im Gesundheitswesen
Hanna Nazet
Projektlotsin NapiK
Projekt: Entwicklung und Etablierung eines pflegerischen Behandlungskonzepts für dementiell erkrankte Patient*innen
Pflegefachkraft, Weiterbildung Praxisanleitung, Hygiene-Beauftragte in der Pflege
Natalie Jalowy
Projektlotsin NapiK
Projekt: Einführung des Safewards Modells
Pflegefachkraft, Fachweiterbildung Intensiv & Anästhesie
Jonas Kunz
Projektlotse NapiK
Projekt: Professionalität in der Pflege
Bereichsleitung M3B, M3C, M4C
Ute Mayer
Projektlotsin NapiK
Projekt: Einführung von Besuchsdiensten durch Freiwillige in der Geriatrie
Stationsleitung D30 Akutgeriatrie
Sarah Seilnacht
Projektlotsin NapiK
Projekt: Zentrales Mobilisations- und Bewegungskonzept
Esther Schäfer
Projektlotsin NapiK
Projekt: Einbindung von Angehörigen in den Behandlungsprozess
Fachkrankenschwester für Akut und Notfallpflege, stellvertretende Stationsleitung ZNA