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Akademische Pflege nah am Patienten

Klinikum Karlsruhe will die Zahl der Pflegekräfte mit Hochschulabschluss deutlich erhöhen, um den Beruf attraktiver zu machen, zusätzliche Karriereoptionen zu schaffen und die Pflege „am Bett“ weiter zu professionalisieren und qualitativ zu verbessern. Das Angebot soll mehr Fachpersonal für den spannenden Pflegeberuf begeistern.

Der Fachkräftemangel und die alternde Gesellschaft machen auch vor dem Gesundheitssektor nicht Halt und verschärfen den Wettbewerb um geeignete Mitarbeitende aller Berufsgruppen. Studien zufolge werden im Jahr 2035 allein rund 300.000 Pflegefachkräfte fehlen. Schon jetzt sind im Pflegedienst auf Allgemeinstationen in den Krankenhäusern mit mehr als 600 Betten im Schnitt 40,3 Vollzeitstellen nicht besetzt.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten und Pflegekräften eine Perspektive zur Professionalisierung ihrer Tätigkeit zu geben, baut das Städtische Klinikum Karlsruhe jetzt sein Angebot an Studienmöglichkeiten aus und startet gleichzeitig eine Akademisierungsoffensive, um eigenen und externen Hochschulabsolventinnen und -absolventen passende Arbeitsplätze anbieten zu können. Schwerpunkt ist dabei die Fachkarriere am Patientenbett, für die strukturierte Konzepte zum Einsatz in der Patientenversorgung erarbeitet werden.

„Deutschland ist bei der Akademisierung der Pflege eines der Schlusslichter“, beschreibt Pflegedirektorin Elvira Schneider den Ist-Zustand. „Während hierzulande gerade 1 Prozent der Pflegefachkräfte ein Studium abgeschlossen haben, sind es in den USA rund 64 Prozent.“

Während das Klinikum Karlsruhe im Pflegemanagement und in der Pflegepädagogik seinen Beschäftigten bereits seit den Jahren 1993 bzw. 2000 viele Möglichkeiten zu einem berufsbegleitenden Studium bietet und seit 2020 auch die Ausbildung zur Hebamme akademisiert wurde, rückt jetzt die Pflege auf Station in den Mittelpunkt. Ziel ist die Steigerung der Fachkompetenz hin zur Patientin und zum Patienten.

„Wir setzen dabei auf zwei verschiedene Angebote“, erklärt Andrea Roth, die die Studierenden vonseiten der Berufsfachschule für Pflege am Bildungscampus am Klinikum Karlsruhe betreut. „Zum einen bieten wir gemeinsam mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Karlsruhe den Dualen Bachelor-Studiengang ‚Angewandte Gesundheits- und Pflegewissenschaften‘ an.“ Innerhalb von nur vier Jahren können die dualen Studierenden sowohl ihre generalistische Pflegeausbildung als auch das Bachelorstudium abschließen. „Zum anderen ermöglichen wir unseren Beschäftigten das Studium ‚Advanced Nursing Practice (ANP)‘ im Bachelor- oder Masterstudiengang, das sich an examinierte Pflegekräfte mit Berufserfahrung richtet“, führt Roth weiter aus. „Es verbindet erweiterte und spezialisierte pflegerische Handlungskompetenzen mit Know-how für Führungspositionen.“

Je nach Studienabschluss verteilt sich die Arbeitszeit im Beschäftigungsverhältnis unterschiedlich. DHBW-Absolventen sind zu 80 Prozent der Arbeitszeit in der direkten Patientenversorgung tätig und übernehmen in den übrigen 20 Prozent Sonderaufgaben auf Stationsebene. Dazu gehören unter anderem die Überarbeitung, Implementierung und Auswertung von Richtlinien und Standards auf der Station oder die Optimierung des Pflegeprozesses. „Diese Konstellation richtet sich an Menschen, die gerne am Patientenbett arbeiten, gleichzeitig offen sind für Veränderung, gerne gestalten und interdisziplinär denken“, betont Schneider.

Bei den ANP-Master-Absolventen ist die Arbeitszeit genau umgekehrt verteilt. Sie sind zu 20 Prozent in der direkten Patientenversorgung tätig und nutzen 80 Prozent ihrer Zeit für konzeptionelle und projektbezogene Aufgaben. „Schwerpunkte sind beispielsweise Behandlungspfade für das Leben mit Krebs oder die Weitentwicklung der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Delir, also mit einer akuten Störung der Aufmerksamkeit und Wahrnehmung“, veranschaulicht die Pflegedirektorin. „Außerdem geht es darum, wissenschaftliche Erkenntnisse in die klinische Pflegepraxis zu überführen.“

Mit diesen Angeboten erweitert das Klinikum Karlsruhe die beruflichen Möglichkeiten in der Pflege deutlich und möchte sowohl die eigene Belegschaft für ein Studium begeistern als auch externe Pflegekräfte mit Hochschulabschluss für eine Tätigkeit am Hause überzeugen. Der Stellenwert der Akademisierung spiegelt sich auch in der Vergütung wider, die entweder über die Eingruppierung oder über eine Zulage angehoben wird.

Eines ist Schneider dabei besonders wichtig: Ein Studienabschluss in der Pflege ist keine Pflicht und soll auch keine Pflicht werden. „Niemand muss sich Sorgen um den Arbeitsplatz machen“, betont die Pflegedirektorin. „Vielmehr schaffen wir zusätzliche hochwertige Angebote für die mittlere Führungsebene ‚am Bett‘.“

Bestätigt sehen sich Schneider und Roth durch das Pflegestudiumstärkungsgesetz, das derzeit im Bundesrat diskutiert wird. Mit diesem will der Gesetzgeber mehr Menschen dazu bewegen, eine akademische Pflegeausbildung aufzunehmen. „Wir freuen uns sehr, dass die Studierenden laut Gesetzentwurf künftig einen Ausbildungsvertrag mit einem Träger des praktischen Teils abschließen und die Finanzierung des praktischen Teils in das bestehende Finanzierungssystem der beruflichen Pflegeausbildung integriert werden soll“, schließt Schneider.

Das Bild zeigt ein Portrait von Oliver Stilz
Autor: Oliver Stilz