Interviewpartner
- Prof. Dr. med. Martin Bentz, Direktor Medizinische Klinik III
- Tobias Herrbrich, Pflegedienstleitung
Themenschwerpunkte
- Einschätzung zur Lage bundesweit
- Einschätzung zur Lage in Baden-Württemberg und der Region
- Aktuelle Situation im Klinikum Karlsruhe
Einschätzung zur Lage bundesweit
Der seit Anfang Juli 2021 beobachtete Anstieg der 7-Tage-Inzidenz setzt sich laut Robert-Koch-Institut (RKI) derzeit nicht fort. Die Fallzahlen seien allerdings deutlich höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das RKI erwartet unverändert einen Anstieg der Infektionszahlen im Herbst und Winter. Gründe dafür seien insbesondere die noch immer große Zahl ungeimpfter Personen und mehr Kontakte in Innenräumen. Das Infektionsgeschehen findet demnach zunehmend innerhalb Deutschlands statt.
Die meisten hospitalisierten Fälle werden laut RKI weiterhin in der Altersgruppe der 35- bis 59-Jährigen übermittelt, gefolgt von der Altersgruppe der 60- bis 79-Jährigen und seit KW 37 der Altersgruppe der 80+-Jährigen.
Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der nicht oder nur einmal geimpften Bevölkerung in Deutschland insgesamt weiterhin als hoch ein. Für vollständig Geimpfte wird die Gefährdung als moderat eingeschätzt. Zum 13.10.2021 haben laut RKI knapp 69 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Impfung gegen COVID-19 bekommen. Gut 65 Prozent wurden vollständig gegen COVID-19 geimpft. Bei den gegenwärtigen 7-Tage Inzidenzen sieht das RKI weiterhin eine relevante Wahrscheinlichkeit für infektiöse Kontakte. Das Institut empfiehlt zudem dringend, dass Personen mit akuten Symptomen einer Atemwegserkrankung auf verschiedene respiratorische Erreger (Influenza, RSV, etc.) getestet werden sollen.
Der bei weitem größte Teil der seit der 5. KW an die Gesundheitsämter übermittelten COVID-19-Fälle war laut RKI nicht geimpft. Die geschätzte Impfeffektivität liege für den Gesamtbeobachtungszeitraum 5. bis 39. KW für die Altersgruppe 18-59 Jahre bei ca. 83 Prozent und für die Altersgruppe 60+ Jahre bei ca. 82 Prozent. Für den Zeitraum der letzten vier Wochen (36. bis 39. KW) errechnet das Institut die geschätzte Impfeffektivität für die Altersgruppe 18-59 Jahre allerdings nur noch auf ca. 80 Prozent und für die Altersgruppe 60+ Jahre auf ca. 77 Prozent. Dass im Laufe der Zeit mehr Impfdurchbrüche verzeichnet werden, ist nach Ansicht der Experten erwartbar, da generell immer mehr Menschen geimpft seien und sich SARS-CoV-2 derzeit wieder vermehrt ausbreite. Dadurch steige die Wahrscheinlichkeit, als vollständig geimpfte Person mit dem Virus in Kontakt zu kommen. Unter den insgesamt 722 COVID-19-Fällen mit Impfdurchbrüchen, die verstorben sind, waren demnach 543 (75 Prozent) 80 Jahre und älter. Das spiegele das generell höhere Sterberisiko – unabhängig von der Wirksamkeit der Impfstoffe – für diese Altersgruppe wider.
Einschätzung der Lage in Baden-Württemberg und der Region
Der Anstieg der Fallzahlen und der 7-Tage-Inzidenz seit Anfang Juli setzt sich aktuell laut Lagebericht des Landesgesundheitsamts (LGA) nicht fort. Der Anteil der Infizierten über 60 Jahre an allen Fällen innerhalb der vergangenen 7 Tage beträgt demnach 11 Prozent. Der Anteil an COVID-19 Fällen in intensivmedizinischer Behandlung an der Gesamtzahl der betreibbaren Intensivbetten liegt laut LGA bei 8,2 Prozent. Hier ist weiterhin eine Seitwärtstendenz zu beobachten. Absolut gesehen werden 188 COVID-19-Fälle auf den Intensivstationen behandelt. Die 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz liegt im Land aktuell stabil bei 2,05.
In der Stadt und der Region Karlsruhe steigt die 7-Tage-Inzidenz aktuell wieder. Unter den positiv gemeldeten Fällen beläuft sich der Anteil der geimpften Personen laut Verwaltungsstab der Stadt Karlsruhe auf rund 20 Prozent. Da der Anteil der geimpften Personen in der Gesellschaft überwiegt, sei daraus kein direkter Schluss auf die Impfeffektivität möglich. Durch die Impfungen kommt es demnach kaum zu schweren Verläufen. Infektionsketten entstünden derzeit zum Teil in Familien.
Tagesaktuell liegt der Inzidenzwert für Karlsruhe Stadt bei 79,1 und im Landkreis bei 96,9 (Corona-Portal Karlsruhe).
Aktuelle Situation im Städtischen Klinikum Karlsruhe
Derzeit befindet sich das Klinikum in Pandemiestufe 2. Stand heute befinden sich 5 COVID-19-Patient*innen auf Normalstation. 5 Patient*innen müssen auf der Intensivstation behandelt werden, davon ist 1 beatmet.
Wir beobachten, dass viele COVID-19-Erkrankte aktuell nicht über die Normalstation aufgenommen und dann im Verlauf auf die Intensivstation verlegt werden, sondern aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung direkt von Außerhalb auf unsere Intensivstation kommen.
Die weit überwiegende Zahl der COVID-Patient*innen ist ungeimpft, aktuell hat keiner der stationär wegen COVID-19 behandelten Menschen einen bestätigten Impfschutz.
Werden doch geimpfte Patient*innen eingeliefert, haben sie in der Regel ungünstige genetische Voraussetzungen, Vorerkrankungen oder eine geschwächte Immunabwehr. Wir stellen fest, dass derzeit vor allem junge Menschen wegen COVID-19 stationär aufgenommen werden. Von den aktuell behandelten Patient*innen auf Normal- und Intensivstation sind drei unter 40 und nur zwei über 70 Jahre alt. Dies ist ein deutlicher Unterschied zu den vorangegangenen Wellen, in denen junge Leute kaum stationär wegen COVID-19 behandelt werden mussten.
Auch die auf unseren Intensivstationen verstorbenen COVID-Patient*innen waren zum Großteil ungeimpft. Bei jenen, die immunisiert waren, war der Zeitraum zwischen Impfung und Kontakt teilweise so gering, dass noch kein ausreichender Schutz bestand, oder sie hatten Vorerkrankungen wie schlecht eingestellten Diabetes.
Wir raten Ungeimpften weiterhin dazu, sich impfen zu lassen. Die Impfung ist der beste und wirksamste Weg, eine schwere COVID-Erkrankung zu verhindern und somit auch die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser für kranke Mitbürger*innen über COVID-19 hinaus sicherzustellen. Laut RKI schützt eine Impfung Menschen im Alter von 18 bis 59 Jahren zu rund 92 Prozent vor einem Krankenhausaufenthalt und zu ca. 99 Prozent vor einem tödlichen Verlauf. In der Altersgruppe 60+ Jahre zu rund 88 bzw. 90 Prozent.
Impfquote unter den Mitarbeitenden
Die aktuelle Fassung der Corona-Verordnung Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sieht zum Schutz der Patient*innen und Mitarbeitenden vor, dass sich nicht-immunisiertes Krankenhauspersonal arbeitstäglich einem Antigen-Schnelltest in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus zu unterziehen muss. Um dies zu gewährleisten, wird der Impfstatus unter den Beschäftigten auf freiwilliger Basis erfasst. Bisher haben 82 Prozent der Mitarbeitenden eine Rückmeldung gegeben. Davon sind insgesamt gut 91 Prozent immunisiert. Im ärztlichen Dienst beläuft sich die Zahl auf knapp 98 Prozent, im Pflegedienst auf knapp 91 Prozent. Wir freuen uns über diese hohe Zahl der immunisierten Beschäftigten.
Aktuelle Personalsituation
Derzeit sind 5 Mitarbeitende im Klinikum Karlsruhe positiv auf SARS-CoV-2 getestet.
Im Bereich des Pflege- und Funktionsdienstes fallen aktuell 161 Mitarbeitende durch Krankheit, Quarantäne oder Beschäftigungsverbot aus. Davon befinden sich 23 Mitarbeitende in Quarantäne oder im Beschäftigungsverbot.