Eine hochdosierte Gabe von Vitamin A bei Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von unter 1.000 Gramm ist demnach sicher, beeinflusst aber weder die Erkrankungs- noch die Sterberate. „Diese Erkenntnis stützt die aktuellen Dosis-Empfehlungen der europäischen Fachgesellschaft ESPGHAN zur zusätzlichen Gabe von Vitamin A bei unreifen Frühgeborenen“, ordnet Studienleiter Meyer das Ergebnis der nun veröffentlichten siebenjährigen NeoVitaA-Studie ein.
Der Direktor der Franz-Lust-Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Städtischen Klinikum Karlsruhe sowie Teams an weiteren 29 neonatologischen Intensivstationen in Deutschland und Österreich hatten von 2015 bis 2022 die Effekte einer frühen zusätzlichen Vitamin A-Gabe untersucht. Vitamin A spielt eine Schlüsselrolle für die Lungenentwicklung. In der Fachwelt gibt es jedoch keinen Konsens, wie und in welchen Dosen Vitamin A extrem untergewichtigen Neugeborenen zusätzlich verabreicht werden sollte.
Um zu einer Klärung beizutragen, untersuchten die an der Studie teilnehmenden Medizinerinnen und Mediziner 915 frühgeborene Babys mit einem Geburtsgewicht von unter 1.000 Gramm. „Konkretes Ziel war es herauszufinden, ob die Verabreichung einer hohen Dosis Vitamin A durch eine Magensonde die Sterbewahrscheinlichkeit oder das Risiko für häufige Frühgeborenen-Erkrankungen, insbesondere für eine bronchopulmonale Dysplasie (BPD), reduzieren kann“, erklärt Meyer. „BPD ist eine schwere chronische Lungenerkrankung und betrifft bis zu 35 bis 45 Prozent der extrem unreifen Frühgeborenen. Die Betroffenen müssen mit Sauerstoff und/oder Atemunterstützung behandelt werden.“
Während der Studie erhielten die Frühgeborenen über einen Zeitraum von 28 Tagen entweder täglich 5.000 IE/kg Vitamin A oder ein Placebo. Die Gruppeneinteilung erfolgte nach dem Zufallsprinzip, weder die medizinischen Kräfte noch die Eltern kannten die Zuordnung.
In beiden Gruppen war mit jeweils 38 Prozent die gleiche Anzahl der Babys von einer moderaten oder schweren Form der BPD betroffen oder verstarben währen der Studie. Auch die Vitamin-A-Spiegel im Blut waren ähnlich. „Die Vitamin A-Supplementierung hatte damit weder das Sterbe- noch das BPD-Risiko beeinflusst“, betont Meyer. „Auch auf die Wahrscheinlichkeit weiterer häufiger Erkrankungen wie Gehirnblutungen, Augenerkrankungen und Darmschädigungen hatte die Supplementierung keine Auswirkung.“ Gleichzeitig hatte das Vitamin A keine negativen Effekte, zusätzliche Komplikation durch eine hochdosierte Gabe traten nicht auf.
Die Ergebnisse der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Studie wurden Mitte April im Fachjournal The Lancet Respiratory Medicine veröffentlicht. In diesem Jahr werten die Studienautorinnen und -autoren dann eine Folgestudie aus. Hier liegt der Fokus auf möglichen positiven Auswirkungen einer Vitamin A-Gabe auf die Gehirnentwicklung.
„Die Ergebnisse, die wir mit der NeoVitaA-Studie gewonnen haben, tragen dazu bei, die Versorgung Frühgeborener auf einem hohen Niveau sicherzustellen und weiterzuentwickeln“, hebt Meyer hervor. „Die erfolgreiche Durchführung solcher Studien zeigt, wie die Verbindung von Forschung und klinischer Praxis zu einer guten Behandlungsqualität beiträgt. Am Klinikum Karlsruhe wollen wir deshalb den Bereich Forschung und den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Patientenbehandlung weiter stärken und dazu auch die universitären Strukturen auf unserem Campus ausbauen.“
Mehr Informationen zur Studie finden Sie auf The Lancet.